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WuWei - ein Zwerg macht neugierig auf Focusing

Sonja Trübendörfer

 

Ich freue mich sehr, heute an diesem Ort das Bilderbuch WuWei vorstellen zu dürfen. Dabei kann ich nicht behaupten, dass ich mich von Anfang an über das Angebot, mich hier vorne hinzustellen, gefreut hätte. Zuerst war diese Idee eher mit - gelinde gesagt - großem Respekt verbunden. Doch die Zeit der Vorbereitung auf dieses Ereignis war für mich verknüpft mit vielen unerwarteten, faszinierenden Erlebnissen, von denen ich Ihnen heute unter anderem erzählen möchte.

Bevor ich damit jedoch beginne:

 

ÜBUNG (Atmung: Flasche)

 

Wenden wir uns nun zunächst einmal WuWei zu.

Wer ist WuWei? Was macht er? Und was hat er mit Focusing zu tun?

 

Zum Inhalt

WuWei ist ein kleiner Zwerg, fast immer gut gelaunt, schelmisch, neugierig, gescheit und immer offen für Neues. Er wohnt im Wald bei seinen Freunden, den Tieren, und hat sich dort immer sehr wohl gefühlt, bis er eines Tages merkt, dass irgend etwas geändert werden will. Er spürt ganz deutlich, dass er etwas Besonderes tun soll, doch er weiß nicht was. Er denkt nach und denkt nach, aber ihm fällt einfach nichts ein. Da entdeckt er einen großen Stein, und er beschließt, so lange auf diesem Stein sitzen zu bleiben, bis er weiß, was er Besonderes tun soll. Zuerst gehen ihm ganz viele Gedanken durch den Kopf, doch schließlich nimmt er immer mehr andere Dinge wahr. Einen Sonnenstrahl, der ihn trifft, die Wärme, seinen Herzschlag, den Fluss seines Atems. Und als er seinem Atem folgt, trifft er auf etwas, das er nie vorher berührt hat. Er entdeckt in sich eine Art Höhle, die ganz viele Geheimnisse beinhaltet. Neugierig verweilt er dort, nimmt alles in sich auf, was dort ist. Er folgt den Bildern, die ihm dort begegnen, fühlt ganz unbekannte Dinge in sich, und schließlich erkennt er einen Zusammenhang zwischen dem, was sich in seinem Innern abspielt und der Unklarheit bezüglich seiner Zukunft. Und mit der Zeit gewinnt er immer mehr Klarheit, bis er genau weiß, welches seine besondere Aufgabe ist.

Nun, er folgt der Richtung, die ihm sein Inneres gewiesen hat und verlässt den Wald und seine Freunde, um zu den Menschenkindern zu gehen, die ihn und seine Freundschaft brauchen. Dort trifft er auf Laurie, die er aufheitert, mit der er spielt, der er ebenfalls die “innere Höhle”, wie er es nennt, zeigt, und die schließlich erlebt: Wann immer sie WuWei braucht, kann sie ihn rufen - mit dem Herzen.

Soweit in aller Kürze zum Inhalt des Bilderbuchs. Die zentrale Stelle ist die, an der WuWei Focusing macht, ohne zu wissen, dass es so etwas wie Focusing überhaupt gibt, ohne jemals ein Wort wie Focusing gehört zu haben.

 

Die Entstehungsgeschichte des Bilderbuches

Und damit sind wir schon mitten in der Entstehungsgeschichte des Bilderbuches WuWei.

Es ist jetzt 4 Jahre her, meine heute große Tochter war damals gerade 3 Jahre alt, und wir liebten es beide, wenn ich mir Geschichten einfallen ließ und sie ihr erzählte.

Eines Tages war ich allein zu Hause und gönnte mir einfach Ruhe, setzte mich hin, schloss die Augen und ging einfach ein bisschen in die Stille. Auf diesen Augenblick hatte WuWei scheinbar gewartet - jedenfalls: plötzlich war er da. Ich brauchte nur in der Stille zu verweilen, dabeizubleiben, und schon war da eine Geschichte. Eine Geschichte, anders als alle, die ich meiner Lea bisher erzählt hatte, denn sie kam nicht aus meinem Kopf, sondern woanders her. Nachdem ich meine Augen wieder geöffnet hatte, holte ich die Geschichte behutsam wieder zum Vorschein und schrieb sie gleich auf. WuWei ist also nicht entstanden oder erschaffen worden, er ist mir vielmehr begegnet.

Tja, und so wie WuWei bei seinem Stein-Setting noch nie etwas von Focusing gehört hatte, so ging es auch mir: Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Geschichte war Focusing noch nicht einmal Bestandteil meines passiven Wortschatzes...

An dieser Stelle möchte ich Sie gern einladen, einen Teil von Focusing etwas genauer kennenzulernen. Dabei knüpfe ich direkt an WuWeis “Stein-Focusing” an. WuWei sitzt auf dem Stein, und das erste, was passiert, nachdem er die Augen geschlossen hat: ihm gehen ganz viele Gedanken durch den Kopf.

Auch bei uns ist das wohl meistens so, dass, sobald wir etwas Zeit und Ruhe haben, sich die Gedanken dort oben verselbständigen, es in unserem Kopf zu rattern anfängt. Das ist manchmal gar nicht so angenehm, und deshalb möchte ich Ihnen hier verschiedene Möglichkeiten anbieten, wie Sie diese Gedanken für eine Weile beiseite stellen können.

 

ÜBUNG: Freiraum schaffen (verschiedene Bilder anbieten)

 

Nun ja, es geht vielen kreativen Menschen so, dass sie - ohne diesen Vorgang mit irgendeinem Wort zu belegen - aus etwas in ihrem Innern schöpfen, daran ist eigentlich wirklich nichts Spektakuläres. Doch für mich war das damals schon etwas ganz Besonderes.

Es ging auch ganz unspektakulär weiter - wenn auch sehr schön. Ich erzählte meiner Tochter natürlich gleich diese Geschichte, und sie gefiel ihr sehr. Gemeinsam entwarfen wir eine Skizze von WuWei - das hatte sie sich gewünscht. Und so entstand der Gedanke, die Geschichte mit noch mehr Bildern zu unterlegen. Weil ich mir das nun doch nicht zutraute, machte ich mich auf die Suche nach jemandem, der oder die gut malen konnte, und stieß auf Ulrike. Ulrike Olgemöller, Medizinstudentin aus Göttingen. Wir trafen uns zweimal, dann waren auch die Bilder fertig. Und ich fand sie wunderschön.

Ganz naiv machte ich mich daran, einen Verlag aufzustöbern, der unser Bilderbuch verlegen wollte. Doch WuWei war treu - er kehrte stets nach einiger Zeit zurück (oft ungeöffnet). Kein Verlag ließ sich auf das “Experiment neue Autoren” ein.

Inzwischen war das Wort “Focusing” zu einem Bestandteil meines Wortschatzes geworden und Focusing zu einem wertvollen Bestandteil meines Lebens. Doch es dauerte lange, bis ich erkannte, dass WuWei ebenfalls ein Fokussierender war. Und noch länger dauerte es, bis ich endlich auf die naheliegende Idee kam, Dieter Müller und Heijo Feuerstein, bei denen ich die Ausbildung zur Focusing-Begleiterin machte, zu fragen, ob denn nicht sie das Experiment Bilderbuch wagen wollten. Ja, und so wurde WuWei denn doch noch ins Leben gerufen. Vielen herzlichen Dank noch einmal an Dieter Müller für die viele Zeit und Mühe, die er investiert hat.

Sie mögen denken, hier endet jetzt meine Erzählung. Aber nein. Im Grunde genommen fängt der wirklich spannende Teil jetzt erst an!

WuWei war fertig, und ich fuhr nach Weingarten, um das erste Exemplar in meine Hände zu nehmen. Was das für ein Gefühl war? Ein ganz komisches. Gewöhnungsbedürftig. Fremd. Ich hatte nicht den Eindruck, so etwas wie “mein Kind” in den Händen zu halten. Es schien eher so, als müssten wir uns erst aneinander gewöhnen, WuWei und ich.

Und dann kam die Anregung von Dieter Müller, das Buch auf der internationalen Focusing-Konferenz zu präsentieren. Ich sagte zwar zögernd zu, hatte aber nicht die leiseste Idee, was ich zum Besten geben könnte. WuWei war so weit weg... Ich setzte mich hin und machte mir ein paar Notizen. Nun ja, ich könnte z.B. erzählen, an wen das Buch sich wendet. Denn das ist durchaus nicht so eindeutig, wie es scheint. Doch alle Überlegungen, wie ich meinen Part bei der Konferenz bestreiten könnte, stellten mich nicht zufrieden. Irgend etwas fehlte noch. Schließlich sollte dies eine Focusing-Konferenz sein, und da wollte ich einen Vortrag nur mit meinem Kopf erstellen? Da mein ganzes Nachsinnen sowieso nicht den gewünschten Erfolg herbeiführte, beschloss ich, die Sache einmal fokussierend anzugehen. Und von da an wurde es spannend!

Doch bevor ich diesen spannenden Teil erzähle, möchte ich nun doch einen Einschub einfügen, ein paar Gedanken, die mir sehr wichtig sind zu dem Buch. Sie sind mir erst kürzlich in dieser Form gekommen, und ich will Sie Ihnen auf keinen Fall vorenthalten. Dazu gehört, dass ich mich nun tatsächlich einmal der Frage zuwende:

 

An wen wendet sich dieses Bilderbuch eigentlich?

 

Und auch mit der Überlegung spiele:

Gibt es einen tieferen Sinn hinter der Geschichte? Und wenn ja, wie ist der?

 

WuWei ist damals natürlich als Bilderbuch für Kinder entstanden, für Kinder ab 4 Jahren. Es war für mich anfangs wirklich nicht mehr als die Geschichte von dem kleinen Zwerg, es steckte keine tiefere Intention dahinter - jedenfalls nicht meinerseits, was WuWei vorhatte, davon wusste ich damals noch herzlich wenig...

Als Text und Bilder fertig waren, fiel mir auf, dass WuWei für Kinder in einer bestimmten Beziehung sehr wertvoll sein könnte. Folgende Überlegungen gingen mir damals durch den Kopf:

Wir leben heute in einer Zeit, in der die Betonung im Allgemeinen ganz stark auf den äußerlich sichtbaren und anfassbaren Dingen liegt. Die meisten Kinder wachsen in dem Bewusstsein auf, dass das Non-plus-Ultra für jeden Menschen irgendwo in der uns umgebenden materiellen Welt zu finden sein muss. Nur sehr wenige Kinder begegnen Menschen, die ihnen von dem Geheimnis erzählen, dass es in jedem von uns auch so etwas wie eine innere Welt gibt. Es gibt einfach noch nur wenige Menschen, die sowohl ein bewusstes Leben in der äußeren Welt führen als auch einen ganz natürlichen Zugang zu ihrer inneren Welt haben. Und doch ist es so, dass ein Gefühl von Ganzheit kann auf Dauer nicht gefühlt werden kann, wenn die Konzentration schwerpunktmäßig auf eine der beiden für uns wichtigen Welten verschoben ist.

WuWei zeigt ganz deutlich, dass es für uns Menschen nicht nur die sichtbaren Dinge um uns herum gibt, die begeistern können, sondern dass es in unserem eigenen Innern eine ebenso faszinierende Welt gibt, die es zu erkunden gilt. Es gibt neben der lauten, oft blendenden Welt eine stille Welt, die ebenso spannend ist - nur eben sehr viel leiser. Und WuWei möchte die Kinder gern einladen - so wie er es mit Laurie tut -, ihm dorthin zu folgen, selbst einmal zu spüren, neugierig zu sein auf das, was in ihnen geschieht, einmal Entdeckungen einer ganz anderen Art zu machen.

Ja, diese Gedanken kamen mir zu dem Bilderbuch WuWei in meinem zweiten Ansatz. Und ich malte mir schon aus, wie ich mit dem Buch z.B. in Kindergärten gehen und Veranstaltungen machen könnte, in Schulen, zur Volkshochschule und was es alles gibt. Denn mit Kindern arbeite ich sowieso seit inzwischen 14 Jahren, zwar musikalisch, ich bin nämlich Musiklehrerin, aber auf jeden Fall sind mir Kinder lieb und auch ein stückweit vertraut.

 

Doch mit WuWei lief eigentlich nie etwas so, wie ich es plante, also kam es dazu - ich sage mal: bis jetzt, wer weiß, was noch geschieht - nicht. Denn WuWei entwickelte sich weiter, oder ich? Oder ich mit seiner Hilfe? Auf jeden Fall veränderte sich mein Denken. Und auch das, was dann kam, möchte ich gern mit Ihnen teilen.

Für mich wurde WuWei plötzlich immer mehr zu einem Buch, das ganz stark mit dem Wunsch verknüpft ist, die Eltern zu erreichen. Ich hoffte und hoffe insgeheim, dass WuWei - während die Eltern das Buch ihren Kindern vorlesen - auch sie berührt. Dass er etwas in ihnen anspricht, dass er Fragen aufwirft, neugierig macht. Dieser Wunsch-Gedanke kam für mich selbst ziemlich überraschend, und er drängte sich sehr schnell vor die Idee, mit Kindern zu arbeiten.

Da WuWei mich inzwischen aber schon einigermaßen flexibel gemacht hat, konnte ich mich ganz gut auf diese neuen Impulse einlassen. Kurse zum Thema Erziehung gebe ich sowieso schon seit einigen Jahren, auch Einzelgespräche biete ich an. Und WuWeis unvorhergesehene Einmischung empfinde ich als eine große Bereicherung für alle, sowohl für die Kursteilnehmer als auch für mich.

Aus reiner Neugier habe ich doch ein bisschen weiter geforscht, woraus dieser Gedanke wohl noch entstanden war, WuWei und seine Art, nach innen zu gehen, den Eltern näher zu bringen. Und ich stieß auf folgende Überlegungen, die in mir steckten:

Kinder, die von Anfang an als “vollwertige” Menschen wahrgenommen und respektiert werden, die liebevoll und behutsam in ihrer Entwicklung begleitet werden und die sich aus sich selbst heraus entfalten dürfen, diese Kinder “brauchen” WuWei als Wegweiser zum Spüren eigentlich gar nicht. WuWei als Wegweiser dafür, wie sie ihre innere Welt entdecken und erforschen können. Denn Kinder sind von Natur aus im Kontakt mit ihrem Innern - nicht bewusst, aber eben auf ganz natürliche Weise. Wie schön wäre es für sie, wenn ihnen diese Gabe erhalten bliebe! Wenn es in ihrem Umfeld ganz selbstverständlich wäre, dass diese wertvolle Fähigkeit sorgsam beschützt wird. Wir Eltern können dazu ganz viel beitragen, und indem wir uns nur darauf besinnen, können wir unseren Kindern viele unnötige spätere Umwege ersparen.

Lienhard Valentin, das ist der Initiator des Fördervereins “Mit Kindern wachsen e.V.” - von ihm wird übrigens zum Herbst hin ein meiner Meinung sehr interessantes Buch zum Thema Erziehung erscheinen - also Lienhard Valentin hat mir gegenüber einmal ungefähr folgendes geäußert:

“Erst bewirken wir mit unserer Art, mit Kindern umzugehen, dass sie alles Fühlen verlernen und vergessen, und später versuchen wir mühsam, es ihnen anhand von Übungen wieder nahezubringen”.

Ja, und das fasst eigentlich ganz gut zusammen, warum für mich im Moment die Arbeit mit Eltern an erster Stelle steht.

Vielleicht stellen Sie sich an dieser Stelle die Frage, wie wir uns denn dieser herausfordernden, spannenden und faszinierenden Aufgabe, unseren Kindern das Spüren zu bewahren, stellen können. Ich glaube, dazu gehört gar nicht so viel. Wir brauchen uns nur selbst auf den Weg zu machen - alles andere kommt von allein. Und damit wären wir wieder bei WuWei.

WuWei kann - so ist es jedenfalls in meinen kühnsten Träumen - Eltern helfen, diesen Weg einzuschlagen. Wenn sie das Buch ganz aufmerksam lesen, bekommen sie vielleicht Lust, WuWei ein klein wenig zu folgen. Vielleicht macht er Eltern neugierig darauf, ob es auch in ihrem Innern so etwas wie eine “innere Höhle” gibt, einen gespürten Atemraum, in dem sich kleine Hinweise verbergen. Vielleicht gehen sie vorsichtig ein paar Experimente ein, begeben sich auf eine neue, ungewohnte Forschungsreise. Vielleicht holen sie auch einfach mehr Informationen zum Thema Focusing ein, oder sie suchen sich eine kompetente Focusing-Begleiterin für erste Erfahrungen. Wer weiß. WuWei möchte nur eins: behutsam eine kleine Tür öffnen für alle Menschen, die dies zulassen. Und dann braucht es nur noch ein bisschen Mut, um hindurchzugehen. Wünschen Sie ihm Glück!

 

ÜBUNG: “kleine Tür”?

 

Vielleicht wird sich für all diejenigen, die WuWeis Einladung annehmen, die Bedeutung dieses Bilderbuches genauso ständig ändern, wie es bei mir der Fall war und ist. Noch einmal: Wer weiß. WuWei folgen heißt, sich für Veränderungen öffnen, faszinierende Veränderungen. Dieses Phänomen ist schwer mit Worten zu beschreiben, doch jeder, der so etwas schon einmal erlebt hat, weiß, wovon ich spreche.

Und abschließend hierzu möchte ich Ihnen mitteilen, was mir an dieser Stelle bei der Vorbereitung für heute ganz deutlich wurde:

WuWei ist ein Bilderbuch, das die Kraft hat, den Leser mitzunehmen!

 

Ja, wie gesagt, WuWei entwickelt sich für mich irgendwie ständig von selbst weiter. Obwohl Bilder und Text natürlich unveränderbar feststehen. Doch es steckt wohl noch ganz viel darin und dahinter, ich weiß es selbst nicht so recht. Die Geschichte und die Bilder sind scheinbar nur so eine Art “sichtbare Kuppel” von etwas, das viel größer und umfassender ist.

Ich habe vorhin davon gesprochen, dass in WuWei der Wunsch steckt, Türen zu öffnen. Für mich hat er schon einige geöffnet, und hinter eine davon möchte ich Sie an dieser Stelle gern noch kurz “spickeln” lassen.

Wie gesagt war WuWei für mich zuerst (1) ein “ganz normales” Bilderbuch für Kinder. Dann erkannte ich (2) seine Einladung an die Kinder, selbst einmal zu spüren. Und schließlich (3) wurde es für mich zu einem Buch, das Eltern gern mitnehmen möchte auf eine eindrucksvolle Reise, bei der sie viele neue und faszinierende Erfahrungen machen können.

Und noch etwas bedeutet WuWei heute für mich, nämlich: das Sprungbrett zu einem weiteren Buch. Ja, ich sitze nun schon seit einer Weile daran, ein Buch über Erziehung und Focusing zu schreiben, und ich fühle mich pudelwohl dabei, es macht unbeschreiblich viel Spaß! Irgendwie lag´s auf der Hand, das so etwas einmal entstehen könnte, aber ohne WuWei wäre ich bestimmt noch lange nicht auf diese Idee gekommen. Dieter Müller trägt ebenfalls einen Großteil der Verantwortung für dieses Unterfangen, denn er war es, der damals das Beiblatt für Eltern und Erzieher/Innen angeregt hat - dieses Beiblatt hat inzwischen einen Umfang von 72 eng beschriebenen DinA 4 Seiten...

Im Sommer diesen Jahres werde ich das Buch fertig stellen, mal sehen, was dann kommt...

 

Focusing in der Erziehung

An dieser Stelle fühle ich mich irgendwie veranlasst, einige Gedanken zu spinnen zum Thema “Focusing in der Erziehung”. Wenn mich WuWei schon immer mehr zu diesem Thema geführt hat, dann gehört das heute einfach dazu.

Ich habe nun nicht vor erschöpfend zu beschreiben, wie, wann und warum wir Focusing in der Erziehung nutzen können - ich möchte einfach einmal sagen, was mich an Focusing in der Erziehung so begeistert, was es für mich so wertvoll macht.

Dazu muss ich einiges vorausschicken, ein paar Überlegungen, denn diese bilden überhaupt erst den Ausgangspunkt für Focusing in der Erziehung.

In den letzten Jahren - eigentlich schon seit Jahrzehnten - hat sich das Verständnis von Kindern sehr gewandelt. Früher herrschte die Vorstellung, jedes Kind sein vergleichbar mit einem leeren Gefäß, heute wissen wir, dass in jedem kleinen Menschen, der das Licht der Welt erblickt, ein ganz großer innerer Reichtum verborgen ist. Wir wissen, dass jeder Mensch schon vor der Geburt seinen ganz eigenen “Plan” in sich trägt, dass die Entwicklungsschritte jedes Menschen in seinem Innern quasi “eincodiert” sind. Wie ein Same, in dem ganz genau festgelegt ist, welche Pflanze daraus entsteht und ob und wenn ja wann sie welche Früchte trägt, gibt es auch in uns einen Plan der Natur, der nur darauf wartet, sich entfalten zu dürfen.

Tja, und dieses Wissen bringt natürlich mit sich, dass die frühere Art, Kinder zu erziehen, einfach nicht mehr passt. Früher verstand man unter Erziehung, dass den Kindern bitteschön Benehmen beigebracht wurde, dass ihnen Werte und Verhaltensregeln eingeimpft und Wissen eingetrichtert wurde. Die Eltern waren diejenigen, die ganz genau die Richtung vorgaben. Zugegeben, das war irgendwie - im Vergleich zu heute - relativ einfach und vor allem auch sehr bequem. Die Eltern waren der Boss, ihre Entscheidungen waren unanfechtbar, keine Diskussionen, es wird gehorcht, seid also ja lieb und artig, sonst...!

Heute ist das alles nicht mehr so einfach, darüber besteht, glaube ich kein Zweifel. Plötzlich heißt es: auch wenn wir zweifelsohne über einen viel größeren Erfahrungsschatz in dieser Welt verfügen als unsere Kinder, so dürfen wir uns dennoch nicht den Schuh des Vermittelnden, des Korrigierenden, des Belehrenden anziehen - auch wenn dieses Mehr an Erfahrung immer wieder dazu verleitet... Wir dürfen uns auch nicht mehr als Steuermann im Leben unserer Kinder sehen, dürfen nicht mehr die Fäden ihrer Entwicklung in unsere Hand nehmen!

Begeben wir uns, um die Hintergründe dieser neuen, ungewohnten und daher scheinbar komplizierten Art der Erziehung etwas genauer zu ergründen, mal für eine Meile in die Mokassins unserer Kinder. Stellen wir uns also vor, wir wären wieder Kinder und würden aus unserem Innern - so wie es die Wissenschaft inzwischen festgestellt hat - wirklich ganz bestimmte Impulse erhalten. Impulse, die uns unseren Weg weisen, die uns ganz genau zeigen, was als nächstes für uns “dran” ist, was sich gerade in uns entwickeln will. Nehmen wir beispielsweise mal an, wir spüren ganz deutlich, dass im Moment die richtige Zeit dafür ist, unsere Feinmotorik zu trainieren.

Nun kommen die Eltern an und wollen ständig irgendwelche lästigen Sprechübungen mit uns machen, die uns von unserer Feinmotorik-Arbeit, zu der wir uns hingezogen fühlen, immer wieder abhalten.

Können Sie sich diese Situation vorstellen? Können Sie sie in sich fühlen?

 

ÜBUNG?

 

Bei mir entsteht im Innern bei dieser Vorstellung richtig eine Art Druck, eine ganz große Unzufriedenheit, Ärger, auch so ein Gefühl von Trotz: “lasst mich doch endlich in Ruhe!” und “ich weiß doch selbst, was ich will!”

Bei Kindern kommt aber noch mehr dazu: Ein Kind gerät in einer solchen Situation in eine ganz große Zwickmühle. Es spürt die Impulse aus seinem Innern, denen es folgen möchte, erhält aber gleichzeitig immer wieder Anweisungen von außen - nämlich von den Eltern -, die so gar nicht zu den Impulsen aus seinem Innern passen.

Ein Kirschbaum würde sich wahrscheinlich nicht groß beeindrucken lassen, wenn irgend jemand ihm immer wieder einreden wollte, er solle Mirabellen reifen lassen. Bei Kindern jedoch ist das anders, sie fühlen sich dann hin- und hergerissen, und zwar aus folgendem Grund: Das Bedürfnis, sich dem eigenen inneren Plan gemäß zu entwickeln, ist zwar sehr stark, aber

das grundlegendste Bedürfnis eines Kindes ist das nach Zuwendung!

 

Und es ist nun einmal einfach so, dass Kinder oft besonders dann Zuwendung erhalten, wenn sie das machen, was die Eltern wünschen oder erwarten.

Zurück zu unserem Beispiel. Im Kind könnte - unbewusst - in etwa folgendes ablaufen: “Was mach´ ich nun bloß, ich möchte gern mit diesen kleinen Kugeln da spielen, sie sortieren, sie in die Dose da ´reinfüllen, und meine Mama möchte diese dummen Sprechübungen mit mir machen. Jetzt nimmt sie mich in die Arme, sagt immer wieder “na, komm schon, sag Pustekuchen!” Und nun kitzelt sie mich noch und knuddelt mich. Na gut, dann mach ich halt mit dir diese lästigen Sprechübungen, was soll´s.”

Wenn dies öfter der Fall ist, wenn also das Kind immer wieder seine eigenen Impulse beiseite schiebt und den Erwartungen seiner Umgebung nachgibt, dann, tja dann kann es passieren, dass - um auf das Bild vom Kirschbaum zurückzukommen - eines Tages bei ihm tatsächlich Mirabellen wachsen, wo doch die Natur Kirschen vorgesehen hatte...

Denn auch in Bezug auf unsere innere Weisheit gilt wohl der schlaue Spruch “use it or lose it”. Das heißt, wenn unsere Kinder ihre innere Weisheit nicht benutzen, dann kommt sie ihnen mit der Zeit immer mehr abhanden. Zusätzlich lässt sich noch ein Nebeneffekt feststellen: Wenn nicht innere Weisheit das Innere der Kinder erfüllen darf, dann entsteht dort ein Leerraum. Und der Platz in diesem Leerraum zieht ein ganz bestimmtes Weltbild magisch an - ein Weltbild, das eigentlich total veraltet ist und heute wirklich nicht mehr zu uns passt. Es ist die folgende Überzeugung, die sich dann so gern breit macht: “der Mensch ist nur so eine Art Spielball des Lebens”.

An dieser Stelle möchte ich Sie einladen, sich für nur eine Minute Ihrem Nachbarn zuzuwenden und mit ihm oder ihr kurz über diesen Ausdruck “Spielball des Lebens” zu sprechen. Sagen Sie einfach, was Sie über diesen Ausdruck denken.

Und jetzt - spüren Sie einmal in sich hinein, was diese Vorstellung, Spielball des Lebens zu sein, in Ihnen auslöst. Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit. - Wenden Sie sich nun wieder Ihrem Nachbarn zu, und erzählen Sie - soweit Sie das mögen -, was da jetzt noch dazu gekommen ist zu den Gedanken von vorhin zum “Spielball des Lebens”.

Ja, sich als Spielball des Lebens zu sehen, als jemanden, der immer nur reagieren, die Erwartungen anderer erfüllen muss, der stets mit dem angstvollen Gedanken lebt “Was mögen die anderen denken?” - das ist sicherlich kein sehr kraftvolles Bild. Das innere Wissen, Gestalter seines eigenen Lebens zu sein, verleiht da sicherlich viel mehr Energie.

Ich hänge manchmal dem Traum nach, wie es wäre, wenn jeder Mensch von Geburt an mit seiner inneren Weisheit, seinen Impulsen, seinem Entwicklungsplan, seiner Intuition - wie auch immer man das nennen will - in Kontakt stehen dürfte. Wenn jeder Mensch seiner inneren Führung folgen würde, die ihm die eigene Richtung weist und die auf jeden Fall weiß, was gerade gut und richtig ist. Wenn jeder Mensch aus diesem Kontakt innere Stärke ziehen könnte, wenn es niemanden mehr gäbe, der aufgrund eines schwachen Selbstwertgefühls um Beachtung kämpfen müsste. Wenn die Menschen aufgrund des Wissens, dass jeder einzelne einem Plan der Natur folgt, einander achten und annehmen würden, es keine gegenseitigen Manipulations- und Änderungsversuche gäbe, sondern jeder den anderen respektieren und ernst nehmen könnte. Wenn dabei jeder dem anderen und seinem Anders-Sein freundliches Interesse und liebevolle Neugier entgegenbringen würde - ja, wenn alle Menschen anderen mit einer Art Focusing-Haltung begegnen würden...

Es ist ein Traum, aber ein sehr schöner Traum. Und dieser Traum ist auch ein Grund, warum ich so gern mit jungen Eltern arbeite. Von den Kindern kann keine einschneidende Veränderung ausgehen, dazu braucht es die Bewusstheit der Erwachsenen. Und darum sind Eltern für mich die Zielgruppe, mit der ich zur Zeit am liebsten arbeite.

Ich bin so froh, dass uns heute dieses Wissen zur Verfügung steht. Dieses Wissen, dass jedes Kind seinen ganz individuellen Entwicklungsplan in sich trägt, und dass ein Kind nicht im herkömmlichen Sinn “erzogen” werden muss, sondern sich vielmehr entfalten will.

Was ein Kind für eine kindgemäße Entwicklung braucht, ist gar nicht so viel. Es benötigt geeignete Anreize, also z.B. natürliche Materialien wie Steine, Sand, Wasser etc., Lernmaterialien, die eine Selbstüberprüfung ermöglichen, unseren Schutz vor Gefahren, und besonders: Menschen, die es begleiten, ohne es in irgend einer Weise zu bestimmten Betätigungen zu drängen, die dem Kind helfen, wenn es darum bittet, die ihm Aufmerksamkeit schenken, wenn es sie benötigt und die ihm die Freiheit lassen, selbst zu entscheiden, was für es gerade “dran” ist. Ja, und das führt uns direkt zurück zu Focusing!

Um eine Überleitung zu schaffen, möchte ich Ihnen kurz meine ganz persönlichen Überlegungen zu der Frage “Was bedeutet Focusing?” sagen.

Focusing heißt für mich, dass wir auf ganz sanfte, vorsichtige und freundliche Weise Kontakt zu uns selbst aufnehmen. Wir nehmen etwas in uns wahr, schenken diesem Etwas, das in vielen Fällen zunächst einmal sehr schüchtern und zurückhaltend ist, unsere Aufmerksamkeit. Wir sind einfach für es da, bleiben dabei, setzen uns in Gedanken daneben - annehmend, geduldig, liebevoll. Denn wir wissen: Wenn wir diesem Teil in uns auf diese Weise begegnen, wenn wir ihm liebevolle Zuwendung schenken, dann kann er Vertrauen fassen und wird sich uns öffnen. Denn das, was da ist, möchte sich öffnen, es sucht die Kommunikation. Dazu braucht es uns und unsere Bereitschaft, eine innere Beziehung aufzubauen. Und wenn das alles gewährleistet ist, dann ergibt sich Entwicklung ganz von allein.

Tja, und wenn ich jetzt diese Focusing-Definition vergleiche mit den vorangegangenen Überlegungen, was ein Kind für eine kindgemäße Entwicklung braucht, fällt mir sofort auf: das Zusammenleben mit Kindern ist irgendwie genauso wie ein “Zusammenleben” mit unserem Felt Sense... Die Parallelen drängen sich förmlich auf. Lassen Sie mich diesen Gedanken noch ein bisschen weiter spinnen:

Bestimmt kennen Sie folgendes Bild, das uns Gendlin als Vorstellungshilfe anbietet: Er vergleicht den Felt Sense mit einem kleinen, schutzbedürftigen Kind, das unsere Aufmerksamkeit wünscht. Diese Vorstellung habe ich, wenn ich Focusing mache, eigentlich immer im Kopf, für mich ist sie sehr hilfreich.

Irgendwann kam mir der Gedanke: “Ja, dieses Bild kann uns den Umgang mit unserem Felt Sense wirklich erleichtern - und andersrum??” Ich meine, wenn uns das Bild vom hilfesuchenden Kind hilft, liebevoll, annehmend, geduldig mit unserem Felt Sense umzugehen, vielleicht hilft es uns dann auch im Umgang mit unseren Kindern, diese einmal als eine Art Felt Sense zu sehen? Ist Gendlins Vorstellungshilfe nicht tatsächlich umkehrbar? Möglich, dass Sie im ersten Moment dazu neigen, darüber zu lachen, zu schmunzeln oder mit dem Kopf zu schütteln. Aber vielleicht ist dieses Gedankenspiel gar nicht so abwegig. Und ich möchte gern noch ein wenig weiterspielen:

Zum einen fällt mir dazu folgendes ein: (1) Unsere Kinder sind auf ganz natürliche Weise mit uns verbunden - je kleiner sie sind, desto stärker ist diese Verbindung noch. Sie gehören uns nicht, aber dass eine ganz besondere Verbindung da ist, bestreitet sicherlich niemand.

Das zweite, was mir sofort dazu einfällt, ist, (2) welch große Rolle die Gefühle im Leben von Kindern spielen. Und wie wichtig es für sie ist, diese Gefühle auch zum Ausdruck zu bringen - manchmal kann uns Eltern das an den Rand der Verzweiflung treiben!

Wenn wir nun einmal ganz bewusst beschließen, nicht den üblichen Weg zu gehen, uns einmal nicht an den Rand der Verzweiflung zu begeben, sondern so zu tun, als sei das, was uns da gerade durch unsere Kinder an Gefühlen begegnet, so etwas wie ein Felt Sense - dann können wir viele überraschende Dinge erleben! Mir geht es jedenfalls immer wieder so.

1. hilft uns dieses “So tun als sei´s ein Felt Sense”, eine andere Haltung einzunehmen. Statt genervt zu sein, ist es uns nun möglich, der Situation und den mächtigen Gefühlen unseres Kindes mit Annahme zu begegnen nach dem Focusing-Motto: “alles, was ist, darf sein”. Wir können (1) freundlich sein, (2) vorsichtiges Interesse zeigen, (3) behutsam unsere Unterstützung anbieten.

2. helfen wir unseren Kindern auf diese Weise, mit ihren Gefühlen auch selbst besser klarzukommen. Denn für Kinder ist es auch nicht immer leicht, wenn sie von so überwältigenden Energiewellen ergriffen werden. Wenn wir es schaffen, ihnen in diesen Situationen mit Annahme zu begegnen, können auch sie viel leichter akzeptieren, was da mit ihnen passiert. Wenn wir ihnen ein Vorbild sind, das heißt, wenn wir ihren Gefühlen freundlich begegnen - und zwar allen Gefühlen -, so können auch sie lernen, diese Gefühle zuzulassen und ihnen den nötigen Raum zuzugestehen. Und mit der Zeit wird es ihnen dann bestimmt auch möglich, Kontakt mit dem Teil in sich aufzunehmen, der sich da zeigt. Das heißt, sie können diese Vorgänge wahrscheinlich sogar irgendwann verstehen. Ja, und

3. : Für mich hat sich eines herauskristallisiert: Focusing ist eine wunderbare Methode, eine Beziehung zu uns selbst aufzubauen. Es ist aber noch viel mehr! Wenn wir regelmäßig Focusing machen, wird es uns “passieren”, dass die Focusing-Haltung, also die Fähigkeit zu liebevoller Annahme, mit einem Mal “fremdgeht”. Das heißt, sie zeigt sich plötzlich außerhalb von Focusing-Settings und auch nicht mehr nur uns selbst bzw. unserem Focusing-Partner gegenüber. Und dann ist es sehr wahrscheinlich, dass ganz seltsame Dinge geschehen - die Beziehungen zu unseren Mitmenschen verändern sich Schritt für Schritt, unsere Kinder gehen uns plötzlich nicht mehr so auf die Nerven, und vieles mehr Wir können es wirklich genießen, uns immer wieder überraschen zu lassen!

4. Um noch einmal ganz direkt auf das Thema Focusing in der Erziehung einzugehen: Wenn wir unseren Kindern - so oft wir es können (das wird nicht immer sein, aber ... immer öfter) - mit einer Focusing-Haltung begegnen, schaffen wir eine Atmosphäre, in der sie sich tatsächlich aus sich selbst heraus entwickeln können. Dies ist zwar nicht der einfachste Weg, aber doch der, der für alle Beteiligten auf Dauer mit Sicherheit die schönsten Früchte trägt.

Für mich hat die sowieso schon so faszinierende Aufgabe, Kinder auf ihrem Weg zu begleiten, durch Focusing wieder eine ganz neue Dimension erhalten.

Es sind viele Punkte, die dabei eine Rolle spielen - ich möchte hier noch ein paar davon kurz andeuten (in meinem angekündigten Buch wird das alles ausführlicher beschrieben):

Da ist zum einen die Sache mit den Entscheidungen. Im Erziehungsalltag müssen wir ständig Entscheidungen treffen, auf die wir z.T. absolut nicht vorbereitet sind. Manchmal finden wir uns in Situationen wieder, in denen wir einfach nicht weiter wissen, und doch müssen wir handeln. Focusing war mir dabei schon oft eine wertvolle Hilfe!

A propos Entscheidungen: Von vielen Fachleuten bekommen wir im Bereich der Erziehung unzählige gute Tipps und Ratschläge. Sehr viele davon hören sich im ersten Moment auch wirklich vielversprechend an. Und doch heißt dies nicht, dass sie tatsächlich zu uns und unseren Kindern passen. Das können wir aber selbst herausfinden, indem wir sie nämlich in unserem Innern überprüfen. Mit Hilfe von Focusing können wir immer besser lernen, das herauszufiltern, was wirklich gut und richtig für uns ist - kein anderer kann das für uns tun!

Je besser wir lernen, Entscheidungen auf diese Weise zu treffen, gute Ratschläge auf ihren Wert für uns persönlich hin zu überprüfen, desto unabhängiger werden wir auch von Methoden und Techniken aus “schlauen Büchern” und auch von sog. Expertenmeinungen. Das heißt, wir können immer sicherer auf unseren eigenen Beinen stehen und gewinnen immer mehr Selbstvertrauen.

In der Erziehung begegnen uns immer wieder Gefühle wie Angst, Traurigkeit und - besonders gefürchtet: Wut. Ich habe durch Focusing gelernt, mit diesen Gefühlen viel besser umzugehen - d.h. ich bin immer noch dabei und werde es wohl immer sein. Ich wende mich ihnen heute zu, ich schenke ihnen meine Aufmerksamkeit, und statt sie spontan und unüberlegt auszuagieren, spüre ich heute immer öfter einfach nach:

“Wo in mir kann ich es spüren? Und wie fühlt sich das in mir an?”

Dadurch geschieht so ganz nebenbei etwas sehr Wertvolles: Ich halte inne! Und innehalten heißt, sich in diesem Augenblick nicht mitreißen zu lassen. Wie lange hatte ich mir das schon gewünscht, das Innehalten zu lernen, denn den guten Rat, innezuhalten, den bekommt man immer wieder, aber wie man das machen kann, das sagt einem keiner so recht...

 

ÜBUNG: Wut?

 

Ist es Ihnen auch schon einmal so ergangen, dass Sie im Umgang mit Ihren Kindern plötzlich mit Schrecken erkannten: “Au backe, das ist doch genau das, was meine Eltern immer gesagt haben und was ich nie in den Mund nehmen wollte!”? Es ist halt so, viel öfter als wir denken und bewusst wahrnehmen, kopieren wir unsere Eltern. Wir folgen einfach bestimmten Mustern, die in uns verankert sind, gehorchen alten Programmierungen aus unserer Kindheit, übernehmen sogar Werte unserer Eltern, die wir bewusst gar nicht haben wollen. Es ist z.T. gar nicht so leicht, diese alten Werte und Programmierungen überhaupt erst einmal zu erkennen, und ich habe die Erfahrung gemacht, dass unsere kopfgesteuerten Erkundungen nur zu einem geringen Teil erfolgreich sind. Mit Focusing konnte ich schon weit mehr alte Muster identifizieren und auch verändern als allein mit meinem Willen. Manchmal habe ich das Gefühl, da schält sich wie bei einer Zwiebel Schicht um Schicht ab. Und was übrig bleibt, ist das, was wirklich mich ausmacht. Und es ist unglaublich spannend, das, was da zum Vorschein kommt, kennenzulernen!

So gibt es noch viele Bereiche in der Erziehung, in die ich Focusing hineintrage. Und immer wieder merke ich ganz deutlich, dass Veränderungen stattfinden, dass Prozesse in Gang gesetzt werden, die mich bereichern. Ich gewinne mehr Klarheit, werde echter, lebendiger. Und auch meine Kinder entwickeln sich in einer Art, die für mich unbeschreiblich spannend ist, die immer wieder Überraschungen mit sich bringt, und die, so glaube und hoffe ich, starke Kinder hervorbringt. Kinder, die irgendwo in sich wissen, dass nur sie selbst die Gestalter ihres Lebens sind, und die diese Aufgabe mit Freude annehmen.

Es gibt noch viel für mich zu lernen und zu entdecken, ich weiß, ich werde mich immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt sehen. Doch ich schlüpfe mehr und mehr in eine neue Erziehungs- und Lebenshaltung, die geprägt ist von der Annahme dessen, was ist, von Vertrauen und einem Mich-Einlassen auf Prozesse. Und darüber bin ich ja so froh!

Mit diesen Worten möchte ich meinen “Einschub” beenden. All diese Überlegungen, die ich hier mit Ihnen geteilt habe, gehören irgendwie auch zu WuWei - ich hätte das bei seiner Entstehung selbst nicht gedacht. Sogar als ich ihn fertig als Buch in meinen Händen hielt, war mir diese Vielfalt, die er in sich birgt, nicht bewusst. Es ist schon interessant...

 

“WuWei-Focusing”

Ich hatte vorhin erzählt, dass ich mich mit der WuWei-Präsentation anfangs ganz schön schwer getan habe. Irgendwann, an einem Punkt, als ich mit Nachdenken wirklich keinen Deut mehr vorwärts kam, beschloss ich also, diesem Vortrag und allem, was für mich damit zusammen hing, einmal fokussierend zu begegnen. Und - wie gesagt: von da an wurde es sehr spannend:

Mein erstes Focusing zum Thema WuWei und seine Vorstellung verlief - wie konnte es auch anders sein - völlig anders als erwartet. Statt dass WuWei oder irgend etwas in mir einen zündenden Einfall lieferte, präsentierte er sich schlafend im Bett, was durchaus intensiv körperlich spürbar war, und ließ mich in aller Ruhe wissen: “lass man, das wird schon”. Na wunderbar, sagte dazu mein innerer Kritiker nur sarkastisch. Wohl um mich zu beruhigen entstanden in meinem Innern abschließend noch die Bilder einer aufgehenden Sonne, was mich tatsächlich ein bisschen Hoffnung schöpfen ließ. Also gut, dann lass ich jetzt einfach mal kommen, beschloss ich leicht zaghaft. Und es verging eine ganze Weile... Ich dachte oft an WuWei in dieser Zeit...

Inzwischen hatte ich angefangen, eine kurze Fastenzeit einzuschieben, und während dieser Zeit hatte ich ein für mich umwerfendes Focusing-Erlebnis. Erst später erkannte ich, wie dieses Erlebnis mit WuWei zusammenhing. Erinnern Sie sich? WuWei saß auf seinem großen Stein, und hatte zum ersten Mal die Gewissheit: da ist mehr. Da ist etwas, das mich führt, das mir den Weg weist. Etwas, das in mir ist, das aber nicht von mir ist. Und genau dieses Erlebnis hatte ich mit starker Intensität auch. Da waren beeindruckende Bilder verbunden mit ganz bewegenden Körpergefühlen. Es ist kaum zu beschreiben, aber das muss auch gar nicht sein. Für mich war es nur das erste Mal, dass ich ganz deutlich spürte: ja, da ist mehr. Nicht nur so etwas wie ein Unbewusstes in mir, das sich mir offenbart, nein, viel mehr etwas Größeres, das mich hält, das für mich da ist, das mir Gutes will.

Von da an begann der Vortrag quasi von selbst zu entstehen - nicht logisch und wohlgeordnet, wie ich das bis dahin von Vorträgen gewohnt war, aber auch nicht unbedingt chaotisch. Immer wieder fielen mir Passagen für diesen Kurzvortrag ein, und vor allem: Immer deutlicher wurden mir die Parallelen bewusst, die es zwischen WuWei und mir gab! Und plötzlich war mir WuWei wieder ganz nah. Ich erkannte unsere Verbundenheit, oder wie man das nennen will. Erkannte auch, dass WuWei viel mehr für mich ist als ein Bilderbuch, das zufällig ich geschrieben habe. Mir wurde bewusst, dass WuWei aus einem Teil in meinem Innern kam, der irgendwie eine ganze Menge mehr weiß als mein Verstand. Ich merkte auch, dass WuWei mir scheinbar immer einen kleinen Schritt voraus gewesen war, und ich habe nicht einmal gewusst, dass ich WuWei folge:

Er war der erste von uns beiden, der Focusing praktiziert hat - ich folgte mit zwei Jahren Verspätung.

Er berührte seine innere Führung, lange, bevor mir das einmal kurz gelang.

Er fand seinen Weg, und auch ich weiß langsam immer besser, was wirklich zu mir passt.

Ich denke, ich kann noch sehr viel von ihm lernen...

So waren es zwei Focusing-Prozesse, die diesen Vortrag einleiteten - ein weiterer schloss schließlich ab. Und auch davon möchte ich noch kurz erzählen.

Ich hatte beschlossen, mein Fasten zu beenden, doch ich spürte, irgend etwas war da. Also nahm ich es auf einem Spaziergang mit unserem Hund in den Fokus, und erkannte: Da schmollt etwas. Irgend etwas in mir schmollt. “Schmollen” war genau das richtige Wort. Im Laufe des Prozesses klärte sich alles auf: Erst wollte die WuWei-Präsentation für heute soweit beendet sein, dann durfte ich mit ruhigem Gewissen das Fasten brechen. Auf diesem Spaziergang entstand dann in etwa das, was Sie hier gerade hören - gekliert in ein kleines Mini-Schmierheft, mit einer vom Regen verschmierten Schrift.

Für mich war das Schreiben des Buches der eine Teil, die Möglichkeit, es hier zu präsentieren, der zweite, auch wenn ich das erst sehr spät erkannt habe. Ich habe dadurch die Gelegenheit erhalten, ganz viel von dem, was in dem Buch steckt, selbst zu erleben. Und das hat mich mehr als beeindruckt.

Tja, eins war da noch, eine weitere Parallele, mit der ich abschließen möchte:

Bei meinem so eindrucksvollen Focusing, das ich Ihnen vorhin kurz geschildert habe, da bot mir dieses lichtvolle innere Etwas an, mich an es zu wenden, wann immer ich das wollte. Es sagte ganz direkt: “Frag mich.” In jeder schwierigen Lebenssituation, oder auch sonst, wenn ich dran denke, darf ich mich also ganz offiziell dorthin wenden und um Beistand bitten. Ich bemühte mich, diese Stelle zu markieren, damit ich jederzeit die Möglichkeit habe, dorthin zurückzukehren. Und die Markierung war, neben dem vorherrschenden orangefarbenen Licht: mein Herzschlag. Und so gibt es diese weitere Parallele zwischen dem Bilderbuch WuWei und meinem Weg: Auch bei WuWei heißt es am Ende:

“Sie weiß nun: Wann immer sie WuWei braucht, kann sie ihn rufen... mit dem Herzen.”

Ich glaube ganz fest daran, dass jeder von uns zu jeder Zeit um Beistand rufen kann... mit dem Herzen.