von Eugene T. Gendlin (Universität Chicago)
Aus dem Amerikanischen von Heinke Deloch
In H.J. Schneider & M. Kross (Hgg.), Mit Sprache spielen. Die Ordnungen und das Offene nach Wittgenstein, pp. 119-135. Berlin: Akademie.
FUSSTEXT: Die amerikanische Originalfassung erschien in: Philosophical Form 28, H. 3 (Frühjahr 1997).
Wittgenstein bestand darauf, daß die Sprache nicht vollständig von Regeln beherrscht werden könne, da sich die Regeln selbst aus der Sprachtätigkeit ergeben und auch ihre Formulierung ein Teil dieser Tätigkeit ist. Ebenso lehnte er Berichte über Beobachtungen von sprachlichem Verhalten als Basis des Verstehens von Sprache ab. Es war lange Zeit eine offene Frage, von welchem Standpunkt her Wittgenstein selbst diese Aussagen macht.
Bevor wir uns dieser Frage zuwenden können, müssen wir uns mit einem grundlegenderen Problem beschäftigen: Es besteht im allgemeinen Einigkeit darüber, daß Wittgenstein die üblichen Annahmen des auf äußere Beobachtungen gestützten Objektivismus ablehnte, ebenso wie einen Intellektualismus, der sich auf Regeln, Konventionen oder Konstruktionen stützt. Dennoch enthalten die meisten Erörterungen über Wittgenstein einige dieser Annahmen, und zwar nicht, weil seine Zurückweisungen nicht verstanden würden, sondern weil keine andere Begrifflichkeit, kein anderer Diskurs verfügbar ist.
So sagt David Pears: "Die meisten der neueren Darstellungen Wittgensteins beginnen mit der Annahme, daß es tatsächlich für jedes Wort eine bestimmte Regel geben sollte, die seinen Gebrauch festlegt." (Pears 1995, 413) Andere nehmen an, daß Behauptungen auf Beobachtungen beruhen müssen. Die Wiedergabe der Position Wittgensteins besteht dann darin, von solchen Annahmen so viele wie möglich zu retten. Oder, wenn eine solche "Rettung" unmöglich ist, hat es den Anschein, als ob es Wittgenstein um etwas gehe, das nicht ausgesprochen werden kann, um etwas "Unaussprechliches". Es erscheint unvermeidbar, mit Annahmen zu beginnen, die er zurückweist, um dann bei der Erläuterung ihrer Zurückweisung eine Redeweise zu benutzen, die eben diese Annahmen wiederum als gültig unterstellt. Wenn man damit beginnt, die von ihm zurückgewiesenen Annahmen zu benennen und im Anschluß daran die Gründe für ihre Zurückweisung aufführt, so scheint dies nur im Rahmen eines Diskurses möglich zu sein, der sie immer noch voraussetzt. Dies liegt aber nicht an einem Versehen unsererseits; Wittgenstein selbst hat die Erörterungen seines Werkes schwierig, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Er sagte, er könne das, worum es ihm geht, nicht sagen, nur zeigen. Er war überzeugt, daß man über das, was er zeigte, nicht sprechen könne. Wir müssen seine Gründe hierfür untersuchen, jedoch erfordert dies genau jenen Diskurs, den sie ausschließen.
Dies ist nicht nur für uns ein Problem, es war auch eines für Wittgenstein. Er wußte, daß er für gewöhnlich mißverstanden wurde, fand es jedoch unmöglich, über das Zeigen, das er praktizierte, zu sprechen. Um dies zu tun, müßte man Sprache so darstellen, als handle es sich um einen darstellbaren Gegenstand. Es wäre irreführend, eine in einem solchen Schritt künstlich erzeugte Darstellung der Sprache an ihre Stelle zu setzen, denn sie würde nicht der Weise gerecht werden, wie Wörter wirklich arbeiten - nämlich weder als Darstellungen noch auf solchen Darstellungen beruhend.
Wittgenstein vollzieht sein Zeigen natürlich mit Hilfe der Sprache. Wie wird die Sprache bei diesem bloßen Zeigen verwendet? Diese Frage muß zwar gestellt werden, jedoch dachte Wittgenstein nicht, daß sie beantwortet werden könnte. Er dachte, daß es nicht möglich wäre, Sprache so zu wenden, daß sie über diesen zeigenden Gebrauch von Sprache sprechen könnte. Er dachte, daß der Versuch des Sagens den Verlust des Zeige-Modus bedeute.
Im ersten Teil dieses Aufsatzes werde ich eine Art von Diskurs vorstellen, der nicht das voraussetzt, was Wittgenstein zurückweist. Mit Hilfe dieses Diskurses werde ich dann zu der Frage nach Wittgensteins Standpunkt zurückkehren. Vielleicht können wir dann zumindest beginnen zu sagen, von wo aus er spricht.
Bis jetzt ist klar geworden, daß wir uns in einem Dilemma befinden: Wenn wir über Wittgensteins Zeigen sprechen, überschreiten wir die Grenzen, die er sich selbst gesetzt hat, wenn wir es jedoch nicht tun, können wir seinen Standpunkt nicht verstehen. Das Problem besteht darin, uns zwischen diesen beiden Fallen zu bewegen. Statt vorzugeben, dieses Problem zu lösen, werde ich das Problemfeld in sehr kleinen Schritten durchqueren und an jeder kritischen Wegscheidung überprüfen, in welchen Punkten wir Wittgenstein Unrecht getan haben.
Ich werde zu keinem Zeitpunkt versuchen, über Wittgenstein in jener Weise hinauszugehen, die er ausschließen wollte, nämlich durch ein Ersetzen der wirklichen Arbeitsweise der Sprache durch Darstellungen. Ich denke, wir können einen anderen Weg finden. Wenn wir ihn beschreiten, tun wir etwas, das Wittgenstein selbst nicht tut, aber dieser Schritt könnte uns in die Lage versetzten zu sagen, was er tut.
Affirmatives Reden Bei Wittgenstein
Zunächst werde ich mich innerhalb dessen bewegen, was Wittgenstein selbst tut. Wir werden ihm nur "Unrecht tun", indem wir bestimmte seiner Ausdrucksweisen auswählen (Herv. d. Ü.); wir werden sie aber nur so gebrauchen, wie er es tat. Im Anschluß daran werde ich hervorheben, wo wir über das hinausgehen, was er selbst mit diesen Ausdrucksweisen bereit war zu tun.
Es wird oft gesagt, daß Wittgenstein Irrtümer beseitigte, aber nichts Positives aussagte. Das ist nicht ganz richtig. Er sagte, er könne nur zeigen, aber vergessen wir nicht: Er behauptete, er könne zeigen. Zudem stellen wir fest, daß er immer wieder Fragen stellt und sie mit Beispielen beantwortet, die durchaus positive Behauptungen enthalten. Lassen Sie mich auf einige typische Ausdrucksweisen aufmerksam machen, mit denen Wittgenstein fragt und selbst antwortet. Während er z. B. leugnet, daß ein Begriff oder ein gemeinsames Merkmal die verschiedenen Gebräuche eines Wortes regelt, behauptet er zugleich, daß sie nur eine Familienähnlichkeit verbindet. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine Metapher. Später werden wir fragen, wie diese Metapher sich von jenen unterscheidet, vor denen er immer wieder warnt.
An sehr vielen Stellen der Philosophischen Untersuchungen fragt Wittgenstein: "Was geschieht, wenn jemand sagt...?" und: "Frag dich selbst..."oder: "Sehen wir noch nach, worin [dies, E. G.] eigentlich besteht!" (z. B. PU, 578) Diese Fragen kommen in vielen Varianten vor. Er führt dann viele mögliche Umstände an. Er behauptet ferner, daß das, was geschieht, "verwickelter" (PU, 182) sei als ein Bezug auf einen einzigen Gegenstand es wäre. Die lange Folge von Beispielen zeigt, daß das, was geschieht, verwickelter ist. Weiter unten können wir versuchen zu sagen, was sie zeigen, aber Wittgenstein dachte nicht, daß dies möglich sei.
Bis hierher haben wir ihm nur durch die Auswahl und Hervorhebung bestimmter seiner Wendungen, die alle positiv behauptend oder zumindest nicht negativ sind, "Unrecht getan": "nur zeigen", "Familienähnlichkeit", die Frage: "Was geschieht?" (zusammen mit den Beispielen) und "verwickelter".
Gebrauchen Wir Seine Wörter, Um Darüber Zu Sprechen, Wie Er Sie Gebraucht
Lassen Sie uns nun einen Schritt weiter gehen. Wir werden einige Wörter benötigen, mit denen wir über seinen Gebrauch der oben hervorgehobenen Wörter sprechen können. Anstatt einen anderen Diskurs einzuführen, werde ich in diesem nächsten Schritt nur Wittgensteins eigene behauptend benutzten Worte gebrauchen, und nur in seinem Verständnis. Aber lassen Sie uns gewahr sein, daß wir weiter gehen als er es tun würde, sobald wir die Worte verwenden, um darüber zu sprechen, wie sie gebraucht werden.
Lassen Sie uns fragen, was geschieht, wenn Wittgenstein die Frage stellt: "Was geschieht, wenn...?" Wir gehen über Wittgenstein hinaus, indem wir die Ausdrucksweise herumdrehen, um nach ihrem eigenen Gebrauch zu fragen, aber lassen Sie uns in der Art und Weise, wie wir antworten, nicht über ihn hinausgehen. Lassen Sie uns die Frage beantworten, wie er es tun würde, indem wir nur diese Wendungen gebrauchen. Was geschieht? Fragen Sie sich selbst und schauen Sie und sehen Sie, worin es [dieses Geschehen, A. d. Ü.)] tatsächlich besteht.
Um zu verfahren, wie er es fordert, lassen Sie mich zwei Abschnitte zitieren. Im ersten leugnet Wittgenstein (wie er es so oft tut), daß eine Bedeutung ein einfacher Gegenstand ist, der existiert und auf den man Bezug nehmen kann. Er greift hier den Fall auf, in dem die Existenz eines einzigen Bezugsgegenstands fast unvermeidbar erscheint. Wenn wir darum ringen, die richtigen Worte zu finden, um etwas auszudrücken, muß es dann nicht einen Bezugsgegenstand geben? Wir nehmen an, wir haben die Bedeutung vorliegen, da wir versuchen, den "richtigen" Ausdruck zu finden. Aber Wittgenstein fragt: "Was geschieht, wenn wir uns bemühen - etwa beim Schreiben eines Briefes - den richtigen Ausdruck für unsere Gedanken zu finden? - Diese Redeweise vergleicht den Vorgang dem einer Übersetzung, oder Beschreibung: Die Gedanken sind da (etwa schon vorher), und wir suchen nur noch nach ihrem Ausdruck. Dieses Bild trifft für verschiedene Fälle mehr oder weniger zu. - Aber was kann hier nicht alles geschehen! - Ich gebe mich einer Stimmung hin, und der Ausdruck kommt. Oder: es schwebt mir ein Bild vor, das ich zu beschreiben trachte. Oder: es fiel mir ein englischer Ausdruck ein, und ich will mich auf den entsprechenden deutschen besinnen. Oder ich mache eine Gebärde und frage mich: 'Welches sind die Worte, die dieser Gebärde entsprechen?' Etc." (PU, 335)
Betrachten Sie einen zweiten Abschnitt: Wittgenstein argumentiert dafür, daß es einen inneren Vorgang geben kann, aber nicht geben muß, wenn wir sagen, daß wir jemanden oder etwas "erwarten": "'Ich erwarte ihn' hieße hier 'Ich wäre erstaunt, wenn er nicht käme' - und das wird man nicht die Beschreibung eines Seelenzustands nennen. [...] Wir sagen aber auch 'Ich erwarte ihn', wenn dies heißen soll: Ich harre auf ihn. Wir könnten uns eine Sprache denken, die in diesen Fällen konsequent verschiedene Verben benützt." (PU, 577) - "Als ich mich auf diesen Stuhl setzte, glaubte ich natürlich, er werde mich tragen. Ich dachte gar nicht, daß er zusammenbrechen könnte." - Aber: "Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest, . . . ." "Hier wird gedacht, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft." (PU, 575) - "Ich schaue auf die brennende Lunte, folge mit höchster Spannung dem Fortschreiten des Brandes und wie er sich dem Explosivstoff nähert. [...] Das ist gewiß ein Fall des Erwartens." (PU, 576)
Wenn wir nur Wittgensteins Ausdrucksweisen verwenden, und dies nur auf seine Art tun, so können wir immerhin ein wenig darüber sagen, wie diese Ausdrucksweisen gebraucht werden. Was "geschieht", wenn er dies fragt? Wir können sagen, daß er erzählt, was geschieht (oder was möglicherweise geschehen könnte), und dies zeigt, was das Wort "geschieht" hier bedeutet. So zeigt es auch, was "zeigen" bedeutet und was "verwickelter" bedeutet. Später werden wir vielleicht in der Lage sein, andere Wörter zu gebrauchen, um zu sagen, was diese Worte bedeuten, aber jetzt zeigen wir es nur (und wir zeigen nur, was "zeigen" bedeutet).
Wenn Wittgenstein fragt, was geschieht, wenn wir diese Ausdrücke gebrauchen, ist er weit davon entfernt, das zu leugnen, was die meisten "subjektive" Vorgänge nennen. Er hält sie nicht für subjektiv, aber er beantwortet die sie betreffenden Fragen stets so, daß er auch von ihnen spricht. Er zeigt, daß das, was geschehen kann, verwickelter ist als ein einziger klassifizierbarer innerer Vorgang.
Wittgenstein interessiert sich sogar noch stärker für Fälle, in denen keine inneren Vorgänge vorliegen, obwohl es so aussieht, als würden wir uns auf solche beziehen, z. B. wenn wir sagen, daß wir "uns erinnern" oder "lesen" oder "etwas erwarten". Er führt dies eindringlich vor, indem er Fälle, in denen mentale Vorgänge vorkommen, mit solchen vergleicht, in denen dies nicht passiert. Wittgenstein sagt ganz deutlich, daß mentale Vorgänge in manchen Fällen in der Tat vorkommen, in anderen nicht.
Können wir Wittgensteins Aufzählung dessen, was geschehen könnte, als "Beispiele" bezeichnen? Wofür sind sie Beispiele? Was haben sie gemeinsam? Lassen Sie uns zunächst einmal nur sagen, daß ein Einzelelement aus jeder der durch die genannten Ausdrucksweisen gebildeten Klassen von Geschehnissen (z. B. "erwarten", "uns erinnern" etc.) eintreten kann, wenn wir den entsprechenden Ausdruck benutzen (z. B. "erwarten"), aber diese Verwendungen haben nur eine Familienähnlichkeit gemeinsam.
Auch diesmal haben wir immer nur mit seinen eigenen Worten geantwortet. Bevor wir weiter gehen, lassen Sie mich sagen, warum es klug zu sein scheint, noch eine Weile allein bei Wittgensteins eigenen Worten zu bleiben. Nehmen wir einmal an, wir würden versuchen, mehr darüber zu sagen, was geschieht, z. B. wo es geschieht. Wir könnten sagen, es geschieht in einer Situation. Wittgenstein redet tatsächlich manchmal von der Situation (z. B. PU, 337), aber dies wird leicht als etwas von außen Beobachtetes mißverstanden. Wir müßten deutlich machen, daß "Situation" auf eine bestimmte Weise verstanden werden muß, auf Wittgensteins Weise. Wie könnten wir erreichen, daß das Wort "Situation" auf Wittgensteins Weise verwendet wird, wenn wir sagen, daß das Geschehen "in Situationen" geschieht? Wir müßten seine Beispiele zitieren (von denen einige von außen beobachtbar sind, andere nicht). Es würde uns also an dieser Stelle noch nicht helfen zu sagen, daß dies alles "in einer Situation" geschieht, da dieser Gebrauch von "Situation" immer noch die Beispiele erfordern würde. Wir müßten "Situation" durch das definieren, was geschieht, wenn Wittgenstein die Frage beantwortet: "Was geschieht, wenn wir...?"
Da alle anderen Wörter, die wir hier einführen könnten, diese Rückkehr zu den Beispielen dafür, was geschieht, erfordern würden, könnten wir genauso gut die ursprüngliche Ausdrucksweise auf sich selbst bezogen verwenden. Da andere Wörter von den Beispielen, was geschieht, abhängen würden, gewännen wir durch ihre Einführung nichts. Lassen Sie uns noch eine Weile bei der Ausdrucksweise "was geschieht" bleiben und sie selbst dafür verwenden, um zu sagen (wie Wittgenstein es nicht tut), wie diese Ausdrucksweise ihre Bedeutung erhält. Wir antworten: Die Beispiele zeigen, was die Ausdrucksweise "was geschieht" bedeutet.
Was Geschieht In Den Beispielen Und Was Geschieht Hier Mit Ihnen?
Lassen Sie uns einen halben Schritt weiter gehen, einfach indem wir feststellen, daß wir zwei Fragen zugleich beantwortet haben, als wir gerade sagten, daß die Beispiele zeigen, was geschehen kann. Wir zeigten auf die Geschehnisse, die in den Beispielen gezeigt werden, jedoch indem wir dies taten, benutzten wir die Ausdrucksweise "was geschieht, wenn" auch, um zu sagen, was hier geschieht, nämlich, daß die Ausdrucksweise "was geschieht, wenn" ihre Bedeutung aus den Beispielen erhält. Das Sichtbarwerden der Bedeutung ist, was geschieht, wenn Wittgenstein fragt: "Was geschieht, wenn wir sagen...?"
Unsere Ausdrucksweise arbeitet auf zwei verschiedene Weisen: Sie sagt, was geschieht, wenn wir sagen: "Ich erwarte ihn"; und dies ist der einzige Gebrauch, den Wittgenstein für sich beansprucht. Aber wir haben die Ausdrucksweise zugleich so gewendet, daß wir fragen können, wie sie selbst gebraucht wird und wie sie ihre Bedeutung durch Wittgensteins Gebrauch erhält. Tatsächlich können wir nur beides auf einmal tun. Beides geschieht bereits dann, wenn wir sagen, daß die Bedeutung des Wortes "geschieht" von Wittgensteins Beispielen abhängt. Damit ist schon sowohl gesagt, was geschieht, wenn wir etwas erwarten, als auch, was geschieht, wenn Wittgenstein sagt, was geschieht, wenn wir etwas erwarten.
Aber können dabei nicht alle möglichen Dinge geschehen? Um so zu verfahren, wie Wittgenstein es tut, lassen Sie uns wirklich hinschauen und sehen, was hier geschehen kann. Wir sollen nach etwas schauen. Man gibt uns Beispiele. Wir begreifen, daß das Wort "geschieht" mit Hilfe der gegebenen Beispiele zu verstehen ist. Vielleicht schätzen wir die Beispiele und stellen fest, daß uns ähnliche Beispiele einfallen. Vielleicht verwirren uns die Beispiele und wir begreifen nicht, wofür sie Beispiele sein sollen. Oder wir denken vielleicht, daß wir begriffen haben, was sie zeigen, nur um dann sehr enttäuscht zu werden, weil das nächste Beispiel nicht zu dem paßt, was wir vermutet hatten. Wir sind vielleicht frustriert und geben die Suche nach einem roten Faden in dieser verworrenen Aufzählung auf. Zu einem anderen Zeitpunkt kann vielleicht noch ganz anderes geschehen.
Man könnte einwenden, daß das, was geschieht, wenn wir den Text lesen, nicht mit den Geschehnissen übereinstimmt, über die er spricht. Diese sind anders, aber nicht in ihrer Art und nicht auf verschiedenen Ebenen. Wörter über Wörter hängen genauso von der herrschenden Praxis ab wie alle anderen Wörter auch, ebenso die Wörter eines Textes, der von Wörtern handelt. Unsere Ausdrucksweisen, wie z. B. "verstanden mit Hilfe der Beispiele" und "paßt nicht zu dem, was wir vermuteten" sind in ihrer Art nicht von den Ausdrücken "erwarten" oder "versuchen, den richtigen Ausdruck für unsere Gedanken zu finden" verschieden. Sicherlich, wir fragen in einem doppelten Sinn "Was geschieht, wenn er fragt: 'Was geschieht'", aber die Ausdrucksweise hängt davon ab, was geschehen kann, wenn wir sie gebrauchen, und danach müssen wir hier auf dieselbe Weise schauen.
Obwohl wir nur seine Wörter gebrauchen, fügt der Gebrauch, den wir von ihnen machen, wenn wir sie hier erörtern, eine neue, von Wittgenstein nicht genutzte Dimension hinzu. Aber es gibt keine scharfe Trennlinie zwischen dem, was er tat, und dem, was wir hinzufügen. Wir durchschreiten vielmehr ein Gebiet. Wir suchten seine positiven Verwendungen heraus, dann verwendeten wir sie dafür, um darüber zu sprechen, wie er sie verwendet. Gerade erst sahen wir, daß sein Gebrauch sowohl das einschließt, was in den Beispielen geschieht, als auch das, was hier geschieht, während sie der Ausdrucksweise "was geschieht" eine Bedeutung verleihen. Jetzt werden wir weiter gehen, jedoch ohne ihn zurückzulassen. Indem wir seine Ausdrucksweisen so gebrauchen, wie er es nicht tat, sagen wir, was er tat.
Die Erhöhung Der Redundanz: Eine Neue Weise Des Sagens
Da wir nur über beides gleichzeitig sprechen können (das, was in den Beispielen geschieht, und den Vorgang des Beispielgebens selbst), lassen Sie uns dies als eine positive Weise des Sagens betrachten.
Da die Ausdrucksweise "was geschieht" ihre Bedeutung (wie jede Ausdrucksweise) von dem erlangt, was geschieht, wenn wir es sagen, finden wir, daß die Ausdrucksweise "was geschieht", sagt wie sie ihre Bedeutung erlangt. Die Ausdrucksweise kann davon handeln, wie sie gebraucht wird. Dann sagt sie, wie sie zu gebrauchen ist. Ebenso sagt in diesem Zusammenhang Wittgensteins Wort "zeigen" das Zeigen, durch das es zeigt, was es bedeutet. Es kann dazu gebraucht werden, über sein Zeigen etwas zu erzählen, ohne daß man eine Darstellung an seine Stelle setzen müßte.
Obwohl wir uns nur im Kreise gedreht zu haben scheinen, beinhaltet diese andere Verwendung mehr als Wittgenstein sich selbst zu tun gestattete. Obwohl dieser Wortgebrauch keine Informationen hinzufügt, können die Worte sagen, wie sie gebraucht werden und wie sie gemeint sind. Sie versetzen uns in die Lage, darüber zu sprechen, wie sie arbeiten. Lassen Sie uns diese andere Verwendung mit einer anderen seiner Ausdrucksweisen wiederholen, bevor wir weiter gehen: Wittgenstein muß sich darüber im klaren gewesen sein, daß er "Familienähnlichkeit" als Metapher gebrauchte. Da er immer wieder vor Metaphern warnt, aber vor dieser nicht zurückschreckte, können wir daraus folgern, daß sein üblicher Einwand hier nicht zutrifft. Wittgenstein sagt, eine Metapher sei mißverständlich, wenn sie etwas in einem Bild darstellt, dessen Teile dann nicht wirklich vorhanden sind, wenn wir nachschauen, was geschieht. Aber eine "Familienähnlichkeit" ist eben kein Bild. Wenn man Bilder in einem Familienalbum anschaut, kann man eine Ähnlichkeit zwischen ihnen feststellen, aber von der Ähnlichkeit selbst liegt kein Bild vor; und es könnte auch kein Bild von ihr vorliegen, da ein solches nur ein weiteres Bild wäre. Dies ist selbstverständlich. Das Fehlen eines Bildes verhindert, daß diese Metapher mißverständlich ist, aber ein bloßes Fehlen reicht hier nicht aus. Der Gebrauch von Wörtern wird nicht allein durch das Fehlen einer Abbildung festgelegt. Lassen Sie uns das Wort "Familienähnlichkeit" gebrauchen, um darüber zu sprechen, was "Familienähnlichkeit" tatsächlich bedeutet.
Der Versuch, die Ausdrucksweise für ihren eigenen Gebrauch zu verwenden, kann etwas Überraschendes aufdecken: "Familienähnlichkeit" ist selbst ein Fall von Familienähnlichkeit! Es gibt nur eine Familienähnlichkeit zwischen Wittgensteins Gebrauch dieser Ausdrucksweise und ihrem üblichen Gebrauch. Wenn wir fragen, was das Wort "Familienähnlichkeit" bedeutet, kann die Antwort mit Hilfe des Ausdrucks "Familienähnlichkeit" gegeben werden: Die Antwort wäre: "Sie haben die Antwort bereits genau hier vorliegen: Ein neuer Wortgebrauch aufgrund von Familienähnlichkeit kommt genauso zustande wie hier bei dem neuen Gebrauch von 'Familienähnlichkeit'".
Was wir gefunden haben, mag trivial und redundant erscheinen. Es mag trivial erscheinen, weil Familienähnlichkeit auf alle Wortgebräuche zutrifft, und redundant, weil wir nichts Zusätzliches darüber herauszufinden scheinen, wie das Wort arbeitet, wenn wir es auf sich selbst anwenden. Wir scheinen nicht in der Lage zu sein zu sagen, wie es arbeitet. Oder wir können das Wort "Familienähnlichkeit" sagen lassen, wie es arbeitet. Wir können antworten: "Schauen Sie, das Wort sagt das. Und obendrein bekommen Sie, wonach Sie fragen. Es geschieht genau hier, d. h. Sie sind in der besten Lage, um zu schauen und zu sehen, was geschieht."
Ist dies nur redundant? Und handelt es sich um etwas, das wir nicht sagen können? Oder ist es eine Weise zu sagen wie das Wort arbeitet und darüber hinaus eine Weise, die auch sein Arbeiten in Gang setzt? Die doppelte Bürde der Ausdrucksweisen "was geschieht" und "Familienähnlichkeit" entsteht, weil wir diese Ausdrucksweisen benutzen, um darüber zu sprechen, was geschieht, wenn wir sie gebrauchen. Können wir uns gestatten, dies zu tun?
Einerseits könnte man einwenden, ich tue etwas, wovor Wittgenstein warnte, nämlich über Sprache sprechen (darüber, wie er seine Wörter gebraucht). Ist dies aber andererseits nicht die Aufgabe, die wir uns zu Beginn stellten? Es war unser Ziel, einen Weg zu finden, den Wittgenstein uns zugestandenermaßen nicht an die Hand gegeben hat, nämlich einen Weg, seinen Standpunkt innerhalb eines Diskurses zu erörtern, der weder Objektivismus noch Intellektualismus implizieren würde. Wenn dies überhaupt möglich ist, müßte es nicht ein Diskurs sein, den Wittgenstein nicht verwendete, und dennoch einer, innerhalb dessen sich sagen ließe, was er tat?
Ich kann sogar eine noch bessere Rechtfertigung dafür geben, seine eigenen Wörter über ihren Gebrauch sprechen zu lassen: Wir können fragen, wieso Wittgenstein es so entschieden ablehnte, über Sprache zu sprechen. Dann können wir feststellen, ob wir denjenigen Fehler machen, vor dem er warnte. Er meinte, daß der Versuch, über Sprache zu sprechen, die Tatsache unbeachtet lasse, daß Wörter über Sprache selbst von genau der Praxis abhängig seien, die sie zu erklären vorgeben. Bei Darstellungen von Sprache werde übersehen, daß ihre Wiedergabe ganz offensichtlich in eben derselben Sprache erfolge. Und nicht nur das. Was die Wörter über die Sprache zu sagen vermeinen, sei falsch und irreführend. Wittgenstein bemühte sich zu zeigen, daß die Wörter von Bezugsgegenständen handeln, die es nicht gibt.
Nun, es ist ziemlich klar, daß wir dies hier nicht tun. Wenn wir ein Wort oder eine Ausdrucksweise darüber sprechen lassen, wie sie gerade in diesem Moment gebraucht wird, so ist dies nicht das Darüber, welches Wittgenstein bekämpfte. Unsere Wörter handeln nicht von nicht vorhandenen Gegenständen, die durch die Grammatik geschaffen werden. Genau diese Täuschung vermeiden wir, indem wir das Wort davon handeln lassen, wie es gerade dann gebraucht wird, d. h. von dem, was gerade geschieht.
Aber warnte Wittgenstein dennoch nicht generell davor, Wörter von etwas handeln zu lassen? Nein, er bekämpfte nicht die Grammatik, die es ermöglicht, daß Wörter von etwas handeln, sich auf etwas beziehen. Er wies nur darauf hin, daß diese grammatische Eigenschaft von Wörtern manchmal Bezugsgegenstände zu erschaffen scheint, die es nicht gibt. Zum Beispiel könnte man von der Familienähnlichkeit sprechen, als wäre sie ein Gegenstand. Wir könnten dann denken, daß sie festlegte, wann ein Wort gebraucht werden kann. Jedoch genau das tun wir nicht, wenn wir das Wort "Familienähnlichkeit" sagen lassen, was genau bei seinem Gebrauch geschieht. Dann können wir schauen und sehen, daß die Familienähnlichkeit nicht als erstes da ist; das Wort kommt und wird gebraucht. Erst danach können wir eine Familienähnlichkeit feststellen. Dieser Gebrauch von Wörtern zur Beschreibung ihres Gebrauchs schützt uns vor der Art von "darüber", welche Wittgenstein bekämpfte.
Das, wovor Wittgenstein warnte, trifft nicht ein, da das Darüber im Verlauf des Arbeitens mit den Wörtern aufgenommen wird, statt von einem dargestellten Bezugsgegenstand zu handeln. Dieser Schutz besteht sogar dann, wenn die Grammatik einen nicht vorhandenen Bezugsgegenstand zu schaffen scheint, z. B. wenn wir über die Familienähnlichkeit als "sie" reden.
Bei Einem Derartigen Gebrauch Sagt Ein Wort Auch Etwas Über Andere Wörter
Ein anderer Einwand kann uns zu einem weiteren Schritt führen. Jemand könnte es als problematisch betrachten, wenn eine Ausdrucksweise auf sich selbst angewendet wird. Es mag vielleicht an die mittelalterlichen intentiones secundae und an die mystifizierenden Zenonschen, Russellschen und Richardschen Paradoxien erinnern. Deshalb wird es besser sein, immer zuerst zu betonen, daß alle Wörter das bedeuten, was in der Situation, in der wir sie verwenden, geschieht, und erst dann zu sagen, daß die Ausdrucksweise "was geschieht" keine Ausnahme ist. Genauso können wir zuerst betonen, daß nach Wittgenstein die verschiedenen Gebrauchsweisen jedes Wortes nur eine Familienähnlichkeit gemeinsam haben; dann können wir, ohne dunkel zu sein darauf hinweisen, daß der Ausdruck "Familienähnlichkeit" diesbezüglich einfach keine Ausnahme darstellt.
Wenn wir gebeten werden zu definieren, was der Ausdruck "verwickelt" bedeutet, müssen wir nicht unmittelbar antworten, daß "verwickelt" genau das bedeutet, inwiefern seine eigene Bedeutung verwickelter ist als eine Definition oder ein einziger Bezugsgegenstand. Lassen Sie uns statt dessen zuerst sagen, daß, was mit allen Wörtern geschehen kann, verwickelter ist als Definitionen oder die Angabe eines scheinbar denotierten Bezugsgegenstands. Dann können wir, ohne geheimnisvoll zu werden, hinzufügen, daß dies auch mit dem Ausdruck "verwickelt" so ist. Er hat keinen 'verwickelten' Bezugsgegenstand. Vielmehr bedeutet er und sagt er die Verwickeltheit aus, die durch Wittgensteins Beispiele gezeigt wird.
Wieso wendete Wittgenstein seinen Ansatz nicht auf sich selbst an? Er hätte dabei nicht das tun müssen, wogegen er kämpfte. Aber natürlich hätte er damit den Leuten nicht das gegeben, was sie von ihm wollten, nämlich eine Erklärung in anderen Worten. Ich denke, Wittgenstein ging sehr weit, ja tatsächlich weiter als wir auch nach Jahren des Forschens problemlos nachvollziehen können. So ist es nicht überraschend, daß er es beim "bloßen Zeigen" beließ, ohne zu fragen, wie Wörter denn wohl zeigen könnten, ohne auch etwas zu sagen. Wir sind nun dieser Frage nachgegangen und haben herausgefunden, daß der Ausdruck "nicht sagen" nach Wittgensteins Verwendung bedeutete: "keine Ersatzversion anbieten". Wir können nun das Wort "sagen" davor bewahren, nur in der Art zu sagen, die Wittgenstein bekämpfte. Wieso sollten wir darauf bestehen, daß das Wort "sagen" nur durch ein irreführendes Einsetzen fingierter Bezugsgegenstände sagen kann, was es soll? Dies ist nicht das, was das Wort "sagen" üblicherweise in der Alltagssprache sagt.
Erlauben wir dem Wort "sagen" zu sagen, was geschieht, wenn wir etwas sagen. Was Wittgenstein richtigerweise vermied, ist nur eine Art des Sagens. Jetzt können wir das Problem lösen, daß manches nur gezeigt werden kann. Wenn Wörter zeigen, sagen sie natürlich auch etwas. Wenn Wörter ihre Bedeutung durch die Art erhalten, wie sie arbeiten, so wird dies natürlich auch bei Wörtern so sein, die davon handeln, wie Wörter arbeiten. Wenn sie auf sich selbst angewendet werden, zeigen sie und sagen sie wie sie arbeiten.
In einem vor einiger Zeit erschienenen Buch zeigt Hans Julius Schneider im einzelnen, wie Wittgenstein immer wieder abstreitet, daß überall gleichbleibende Kategorien zugrunde liegen. Es ist irreführend, ein Muster von einer Situation auf eine andere zu übertragen und zu meinen, es müsse dabei inhaltlich gleich bleiben: Wittgenstein warne uns, "wir sollten nicht meinen, man könne aus einer Gleichheit der grammatischen Funktionen zweier Wörter in den Sätzen, in denen sie vorkommen, aus der gemeinsamen grammatischen Satzform, auf eine Ähnlichkeit der mit den Sätzen vorgeblich beschriebenen Sachverhalte oder auf eine Ähnlichkeit einer unmittelbar den Wörtern zuzusprechenden 'Funktion im Sprachspiel' schließen." Und: "So, wie wir an den Klang unserer traditionellen Weise, das Alphabet herzusagen, gewöhnt sind, so sind wir auch an die Ausdrucksformen unserer Sprache gewöhnt, z. B. an die Subjekt-Prädikat-Form. Sie sind uns als in unserer Lerngeschichte ursprünglich mit bestimmten inhaltlichen Beziehungen verknüpfte Komplexbildungsformen vertraut, und wir benutzen sie seither als Ausgangspunkte für zahllose immer neue Projektionen in den verschiedensten Bereichen sprachlichen Handelns [...]." (Schneider 1992a, 349f.)
Was haben Wittgensteins Beispiele gemeinsam? Wofür sind sie Beispiele? Wir finden keine Generalisierung, die sie umfaßt. Aber da sie Beispiele sind, scheint es, als müßten sie die Kategorie "Verwickeltheit" gemeinsam haben. Es wäre ein Fehler anzunehmen, daß Verwickeltheit eine Gattung oder Kategorie sein müsse. Tatsächlich wäre es genau der Fehler, den Wittgenstein korrigieren möchte, indem er genau dieses Wort benutzt. So sagt der Ausdruck "verwickelter" zumindest, daß wir nicht falsch liegen, wenn wir keine Gemeinsamkeit zwischen seinen Beispielen finden.
Das Wort "verwickelter" sagt etwas Verwickelteres als eine gewöhnliche Klasse es ist. Wir können "Verwickeltheit" eine Art von Art sagen lassen, die sich nicht auf Kategorien reduzieren läßt.
Alle Wörter, Die Vom Gebrauch Von Wörtern Handeln, Können Sagen, Wie Sie Arbeiten
Lassen Sie uns jetzt einen großen Schritt weiter gehen, wobei wir Wittgenstein immer noch auf seine eigene Weise erörtern. Statt uns auf Wittgensteins wenige positive Wörter und ihr Zeigen und das zugehörige "was geschieht?" zu beschränken, werden wir jetzt sehen, daß sehr viele Wörter - die ganze Sprache - für diese Art des Sagens frei werden kann.
Ist es nicht widersprüchlich, wenn ich von einer Art der Verwickeltheit spreche, die keine Art ist? Es ist ganz ähnlich wie eine Gruppierung aufgrund einer Ähnlichkeit, die kein Bild ist. Es ist tatsächlich die gleiche Gruppierung. Wittgensteins Beispiele haben natürlich gemeinsam, daß sie jeweils das umfassen, was geschehen könnte, wenn wir den fraglichen Ausdruck gebrauchen (z. B. "erwarten").
Wir können sagen, daß diese Beispiele Beispiele dafür sind, was "verwickelter" bedeutet, wenn wir zulassen, daß das Wort sagt, wie sie tatsächlich funktionieren, obwohl sie nicht einen gemeinsamen Begriff bedeuten oder eine Klasse bilden. Wir können auch mehr darüber sagen, wie sie funktionieren. In ihnen sehen wir die Art von Vielfalt, die wir finden, wenn wir schauen und sehen, was geschieht. Aber wir können diese Erklärung nur geben, indem wir das Wort "finden" diese Art des Findens sagen lassen, auf welche wir diese Art des Geschehens finden. Wir können dies sagen, da zu dem Wort "Art" (und zu jedem anderen Wort) diese Art von Gruppierung gehört, die nicht durch ein Muster, das immer dasselbe ist, begrifflich identifizierbar ist.
Wenn wir darauf bestehen würden, daß das Sagen nur in den üblichen begrifflichen Kategorien möglich ist, sähe es so, aus als verneinten wir alles. Wir finden keine Bezugsgegenstände der Grammatik; wir finden eine Gruppe von Geschehnissen, die keine Art bilden. Dann scheint es, daß wir weder sagen können, was in den Beispielen geschieht, noch was hier mit ihnen geschieht.
Wittgenstein wiederholt diese Vorgehensweise mit vielen Ausdrücken. Jedesmal finden wir tatsächlich diese Art der Zusammenstellung von Beispielen dessen, "was geschehen kann". Die Beispiele fungieren auf diese Weise als Beispiele; sie bilden eine Gruppe von Geschehnissen dieser Art von Art. So sagen seine und unsere Wörter, wie sie gebraucht werden. Kann das Wort "sagen" dafür benutzt werden, diese Art von "Sagen" zu sagen? In der Tat kann es das; es ist die übliche Art des Sagens.
Nun sagt das Wort "sagen" dieses Sagen, das in jeder Situation verschieden sein kann. Wir können dies sagen, da "Situation" hier sagt, was geschehen kann, einschließlich aller Arten von Gegenständen, von denen einige "subjektiv" genannt werden, da sie nicht von außen beobachtbar sind. Wittgenstein betrachtet sie als Teil der Situation, genauso wie Wörter Teil einer Situation sind. "Wir bemühen uns, den richtigen Ausdruck für unsere Gedanken zu finden", z. B. "beim Schreiben eines Briefes". Nun können wir sagen, daß Wittgenstein von Situationen her spricht.
Jedes weitere Wort, das wir auf diese Weise verwenden, wird von anderen Verwendungen entbunden, da es seine Bedeutung von dem erhält, was geschieht, wenn es hier verwendet wird. Das Wort "verwendet" sagt, was mit ihm geschah, als es gerade jetzt verwendet wurde. Nun, das Wort "jetzt" bedeutet eine Art von "als", die weder nur vorübergehend noch einfach zeitlos ist. Diese Art von "als" ist nicht auf einen einzelnen Moment bezogen, weil es jedesmal, wenn jemand diese Zeilen liest, seinen Gebrauch bedeutet. Andererseits bedeutet dieses "als" auch nicht die Ewigkeit, sondern nur die jeweiligen Augenblicke. Wenn wir schauen, um zu sehen, finden wir eine verwickeltere Vielfalt von Zeiten vor, so wie bei allem anderen auch. Welche Art von Zeit (und welche Art von Art) ist es, wenn wir sagen, daß dieses "jetzt" die Zeitpunkte aussagt, zu denen jemand diese Worte liest, was über Hunderte von Jahren geschehen könnte, aber immer nur in dem jeweiligen Augenblick? So sind die Eigenschaften von Zeit verwickelter als jegliches Zeitschema. Wittgenstein stellt fest, daß fast alles verwickelter ist als die wenigen Schemata, die wir üblicherweise damit verbinden. Kann diese Verwickeltheit gesagt werden? Aber die Verwickeltheit ist genau das, was gesagt wird.
Wenn wir schauen, um zu sehen, was normalerweise geschieht, finden wir, daß dieses verwickeltere Sagen natürlich verständlich ist. Obwohl ein Ausdruck vielleicht noch nie zuvor auf diese Weise gebraucht worden ist, sagt er in jener Situation ganz genau das, was er sagt, und nicht etwas anderes. Normales Sagen zeigt diesen verwickelteren Typ von Ordnung, der nicht mit einem Schema übereinstimmt, und auch nicht immer dieselbe Ordnung ist. Aber jetzt sagt das Wort "Ordnung" etwas darüber, was geschieht, wenn wir einen Ausdruck in einer Situation verwenden. Und dies, obwohl es keine begrifflich definierbare Ordnung ist und auch kein nicht-erkennbares Kantisches "Ding an sich", das wir nicht finden (können). Es ist eher das, was wir tatsächlich finden. Wir erkennen Wittgensteins vertraute Beispiele wieder und können unsere eigenen ersinnen. Es ist die verwickeltere Art von Ordnung, die wir in unseren Situationen mit anderen Menschen in der Welt, in der wir leben, vorfinden. Und "Welt..." - wir könnten auf diese Weise immer weiter machen, indem wir ein Wort nach dem anderen benutzten und von den schematischen Annahmen befreiten.
Sobald ein paar Wörter sagen, wie sie gebraucht werden, kann man auch von den weiteren Wörtern, die wir gebrauchen, um über sie zu sprechen, annehmen, daß sie etwas durch und über ihren Gebrauch sagen. Anstatt den Gebrauch von Wörtern zu verfälschen, indem wir etwas anderes darüber sagen, lassen wir die Wörter einen Aspekt des Gebrauchs sagen, der gerade dann geschieht. Auf diese Weise können alle Wörter, die vom Gebrauch von Wörtern handeln, etwas sagen, das ihr fortwährender Gebrauch exemplifiziert, nicht nur die wenigen Wörter Wittgensteins, mit denen wir anfingen.
Stellen Sie sich eine Sprache vor, in der das, was Wörter über die Bedeutung von Wörtern sagen, immer etwas sein könnte, was durch ihren Gebrauch auch exemplifiziert wird. Was für Eigenschaften bräuchte eine solche Sprache? Wörter über Wörter müßten zwei Verwendungsweisen beinhalten, so daß die eine die andere exemplifizieren könnte. Damit dies möglich wäre, bräuchten wir eine Sprache, in der das, was Wörter sagen, davon abhängt, wie sie verwendet werden, so daß, was Wörter über die Bedeutung von Wörtern sagen, zwei Verwendungsweisen beinhalten würde. Wir erkennen natürlich unsere eigene Sprache wieder. Der Wortschatz, mit dem wir über Wittgenstein und den Gebrauch von Wörtern reden können, umfaßt nun die ganze Sprache.
Ich vertrete nicht die These, daß Wörter über Wörter immer sagen müssen, was sie darüber hinaus auch noch tun, nur, daß sie es können. Obwohl sie gewiß nicht alles über ihren eigenen Gebrauch sagen können, können sie etwas durch ihn sagen. Um sie dies tun zu lassen, übergehen wir im Augenblick ihre Fähigkeit, etwas anderes zu sagen, wovon sie nur handeln würden.
Es ist nicht wahr, daß das, was Wittgenstein zeigte, nicht gesagt werden kann. Es scheint nur so zu sein, weil es nicht in einer theoretischen Sprache in Form einer Substitution gesagt werden kann. Natürlich kann es gesagt werden, aber nur in der Sprache, die er gebraucht, um es zu zeigen, in der gleichen Sprache, in der wir normalerweise sprechen. Wittgenstein befindet sich außerhalb der Reichweite des gegenwärtig so genannten "postmodernen Dilemmas", da er nichts von dem verwendete, was die Postmoderne untergrub. Was er zeigte, hängt weder von trennscharfen Unterscheidungen ab noch von der Annahme von etwas Vorhandenem und Gegebenen, das wir darstellen können. Wittgenstein weist über die Postmoderne hinaus, wenn wir auf seinem Weg weitergehen können. Z. B. kann Wittgenstein verwickelt über das sprechen, was gemeinhin das "Selbst" oder das "Subjekt" genannt wird: "Wenn Einer in der Hand Schmerzen hat, [spricht man] nicht der Hand Trost zu, sondern dem Leidenden; man sieht ihm in die Augen." (PU, 286)
In dieser Form kann Wittgenstein darüber sprechen, auf welche verwickelte Art und Weise das, was gewöhnlich "das Selbst" und "der Körper" genannt wird, sich zueinander verhalten, ohne theoretische Ausdrücke für eine Erklärung aufzustellen, wie es kommt, daß derjenige, den wir trösten, nicht in der Hand ist oder in welchem Sinne der Getröstete die Hand hat (besitzt, beobachtet, fühlt, in ihr oder mit ihr lebt...), und daß wir die Person im Gesicht finden (erreichen, mit ihr kommunizieren). Keine bestehende Theorie nähert sich auch nur der Verwickeltheit dessen, was Wittgensteins einfache Feststellung sagt.
Natürlich ist an dem, was er zeigte, nichts Unaussprechliches oder Unsagbares. Und natürlich sagte er, was er zeigte. Man kann auf viele andere Weisen noch mehr sagen (z. B. mit den Wörtern in meinen Klammern), jedoch nur durch das, was ich "nacktes Sprechen" (Gendlin 1992 und 1995) nenne, ohne es mit einer theoretischen Darstellung zu umhüllen, die dann den Anspruch erhebt, das zu sein, was wir wirklich sagten. Eine solche "Ersatzerklärung" ist die einzige Art des Sagens, die durch das, was Wittgenstein zeigte, unmöglich gemacht wird.
Jetzt können wir sagen, von welchem Standpunkt her Wittgenstein spricht. Er spricht von dem Standpunkt unserer Situiertheit in der Welt her, aber "Welt" ist kein Konstrukt der Physik oder der Soziologie, sondern der Ort, wo wir leben. Und "leben" ist kein biologisches Konstrukt, sondern das, was wir tun, wenn wir mit anderen in konkreten Situationen handeln, sprechen und denken.