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JOHANNUS UND SEIN GESPENST

Helene Rüdisser

 

Clear a space

Der sechsjärige Johannes ist ein recht aufgewecktes, besonders lebendiges Kind. Er sprüht vor Leben. Er ist keineswegs ängstlich, gewöhnt mit seinen drei älteren Brüdern mitzuhalten.

Seit einiger Zeit weint Johannes rege1mässig jeden Abend, wenn er ins Bett wo1l, weint auch nach einer langen Gutnachtgeschichte. Er kann keinen Grund für sein Weinen nennen. Er bekommt eine schwere Grippe und. hat mehrere Tage hohes Fieber. Er fragt den Papa, ob or nicht bei ihm schlafen dürfe. Sein Wunsch wird ihm ein paar Nächte 1ang erfüllt. Als er wieder in sein Zimmer soll, weint er sehr.

Mutter: „Was macht dich denn so traurig?“

Johannes: “Ich weiss es nicht.”

Mutter: “Du weiss gar nichts“

Johannes: “Vielleicht habe ich Angst.”

Felt sense

M: „Du hat Angst ?“

J: „Ja, vor irgendetwas. (Pause) Vielleicht vor einem Gespenst.”

M: „Vor einem Gespenst....“

J: „Vielleicht vor dem aus meinem Traum.“

M: „Du hast geträumt?“

J: „Ja, es ist scbon lange her. Ich habe den Traum Klaus (den älteren Bruder) erzählt. Der hat ihn aufgeschrieben.“

M: „Ja, den kenne ich.”

J: „Ich habe wahrscheinlich Angst, dass das Gespenst wieder kommen könnte.“

M „Johannes, ein Vorschlag: Heute kommt das Gespenst bestimmt nicht und morgen möchte ich es näher kennen lernen.“

Johannes meint, dass sich das machen lässt, dass er allein schläft. Und er sei neugierig, wie Mama das Gespenst kennen lernen wolle.

Getting a handle

Kurz vor sieben Uhr steht Johannes am nächsten Morgen vor dem Bett seiner Mutter. „Willst du dass Gespenst g1eich kennen lernen?” Das Frühstück kann gerade noch eingeschoben werden. Auf Aufforderung erzählt der Bub seinen lange zurückliegenden Traum:

„Ich liege im Wohnzimmer auf der Couch. Da kommt ein Gespenst geflogen und kräht so komisch. Ich laufe davon. Ich laufe bis zur Türe. Die Türe ist verschlossen. Da erwischt mich das Gespenst und schleppt mich wieder auf die Couch. Ich habe schreckliche Angst.“

Die Idee, den Traum zu spielen, nimmt er begeistert auf. Die dreijährige Schwester muss mitspielen. Johannes fragt, was er nun machen soll. Die Mutter erwidert, dass n u r e r das wisse, weil es s e i n Traum sei.

Johannes rnöchte sich zuerst selbst spielen und legt zich auf die Couch. Susanne soll das Gespenst sein. Das will sie nicht. Sie wird Zuschauer, die Mutter zum Gespenst. Bei seinen Anweisungen ist Johannes genau: Wie das Gespenst zu krähen hat, wie es fliegt, wie es ihn berührt und trägt, welchen Weg es genau geht.

Resonate

Dreimal wird die Szene wiederholt. Dann möchte Johannes nur zuschauen. Susanne spielt mit grossen Ernst ihren Bruder. Sie hat genau zugeschaut und hält sich an alle Anweisungen. Die Szene wird nochmals wiederholt: Johannes möchte das Gespenst selbst spie1en.

Ask

Jetzt will Johannes das Gespenst malen. (Auch Susi wird ein Gespenst malen.) Das Papier muss gross sein. Zuerst wird den Fussboden aufgemalt. Dann kommt das Gespenst. Er weiss die Farbe ganz genau: Schwarz mit etwas grau gemischt. Aber er zögert.

J „Hilf mir.“

M „Was möchtest du zuerst malen, den Kopf oder den Körper?“

J „Den Körper. Aber ich weiss nicht wie.“

M „Probiere doch zuerst einfach mit den Fingern.“

J „Ich weiss nicht wie.“

Die Mutter zeichnet mit den Fingern eine ovale Form in die Luft.

J „Nein. So nicht.“

Nun beginnt er zu malen. Ein Telefonanruf holt die Mutter weg. Als sie nach etwa zehn Minuten zurückkommt, ist das bild fertig - und Johannes traurig: „Du gehst einfach telefonieren, wenn ich das Gespenst male.“ Die Mutter entschuldigt sich.

Der Vater kommt dazu, schaut sich das Bild an und staunt: „Du bist ja viel stärker als dieses Gespenst. Du hast dich so gross gezeichnet.“

Johannes kehrt den Vorteil des Gespenstes heraus: „Dafür kann das fliegen!“ Dann: „Meinst du , ich bin wirklich stärker?“

Susi hat inzwischen ihr Gespenst mit Flügeln gezeichnet. Sich auch. Es hat einen blauen Ball in der Hand. Dazu meint sie: „Den hat das Gespenst auf mich geworfen. Ich werfe jetzt gleich zurück.“

Receive

Johannes will sein Bild aufhängen. „Aber nicht über dem Bett!“ betont er. Es findet einen guten Platz im Wohnzimmer. Eine Zeitlang wird es allen Besuchern gezeigt. Dann verliert es an Interesse. Das Gespenst besucht ihn ja nicht mehr.